Kleinfingermehrfragmentfraktur mit Gelenkbeteiligung und Sehnenausriss.
Der Operateur sagte nach einem Blick
auf das Röntgenbild, da haben Sie sich aber eine ungewöhnliche
Verletzung zugezogen.
Ja, dachte ich, in meinem Leben
verläuft selten irgendetwas gewöhnlich, und nickte lediglich.
Die Knochensplitter wurden operativ in
ihre gewünschten Positionen gebracht, auf Drähte gezogen und dadurch stabilisiert.
Anschließend sechs Wochen lang diese
Drähte im kleinen Finger und dessen Ruhigstellung mittels
Gipsschiene und Schlauchverband.
Dann Röntgen. Zu sehen ein nicht sehr
kleines Knochenstück unterhalb des vorderen Gelenkspaltes, wo es
nicht hingehört.
Der niedergelassene Chirurg sagte nach
einem Blick auf das Röntgenbild, zum Ziehen der Drähte überweise
ich Sie zurück an das Krankenhaus, in dem operiert wurde. Ich will
nicht, dass es später heißt, ich sei schuld an dem Schlamassel.
Ja, dachte ich, Chirurgen stehen immer
mit einem Bein im Gefängnis, und nickte lediglich.
Im Krankenhaus zog ein Kollege des
Operateurs die Drähte aus meinem Finger und sagte dann, probieren Sie mal
so im Alltag, wie weit Sie den Finger wieder bewegen können. Sollte
das gar nicht klappen, können wir in drei Wochen mit Physiotherapie
beginnen.
Aha, dachte ich, ich soll also einen Finger, der sechs Wochen lang innen von Drähten durchzogen und außen mit Gips umwickelt war und dessen vorderes Gelenk nun blockiert ist, mal eben wieder bewegen, rät mir ein Arzt, dem seine
Patient*innen egal sind, und nickte lediglich.
Der niedergelassene Chirurg sagte am
nächsten Tag, ich verordne Ihnen Ergotherapie. Brauchen Sie
Schmerzmittel?
Ja, dachte und sagte ich und nickte
nicht lediglich.
Drei weitere Wochen später ärztliche Untersuchung mit erneuter Röntgenkontrolle.
Der niedergelassene Chirurg sagte nach
einem Blick auf das Röntgenbild, schön sieht anders aus.
Ja, dachte ich, ist ja auch nicht für die Kunstausstellung, sondern vom wirklichen Leben gezeichnet, und nickte lediglich.
Überweisung an einen Handspezialisten
zwecks Einholens einer Zweitmeinung, denn der Finger ist noch
geschwollen und schmerzt, wenngleich er zwischen dem ersten und
zweiten Fingerglied wieder etwas bewegt werden kann, nur zwischen dem
zweiten und dritten, wo unter dem Gelenkspalt das fehlplatzierte
Knochenstück liegt, leider nicht.
Der Handspezialist sagt nach einem
Blick auf meine gesammelten Röntgenbilder, das ist gründlich schief
gegangen. Im vorderen Gelenk werden Sie den Finger nicht mehr bewegen
können. Versuchen Sie, mit Hilfe der Ergotherapie die
Schwellung aus dem Finger raus und mehr Beweglichkeit in das unversehrte Gelenk rein zu kriegen, sollten die Schmerzen nicht aufhören, versteifen wir das versehrte künstlich und entfernen das darunter liegende abtrünnige Teil.
Ja, denke ich, endlich spricht einer
unverblümt ehrlich, und das beruhigt mich fast mehr, als die
Aussicht auf eine weitere Operation mit anschließend nochmaliger wochenlanger
Ruhigstellung des Fingers ins Gegenteil verkehren kann, und nicke.
Der Handspezialist fragt noch nach
privater Unfallversicherung.
Ich schüttele den Kopf.
Dann, so sagt er, sieht es hinsichtlich Schmerzensgeld wegen des Behandlungsfehlers schlecht aus. Die Berufsgenossenschaft zahlt nicht.
Das Thema Geld schmälert die Freude an des Spezialisten Ehrlichkeit, aber Recht hat er: Wir leben schließlich im Kapitalismus. Die Behandlung ist das Mittel zum Zweck, der Zweck selbst hauptsächlich Geld.
Manchmal helfen nur noch Bohnen,
je nach Tageszeit und -form diese oder jene, also von der
Kaffeepflanze oder dem Kakaobaum, denn Bohnen sind Gemüse und gesund für Mensch und Tier.
Liebe Miriam, es hat auch einen Vorteil, keine Versicherung zu haben. Du müsstest Dich mit ihr in einen jahrelangen und ziemlich aussichtslosen Kampf begeben, ob nicht vielleicht doch Du selbst schuld bist am Knochenteil, der nicht dort ist, wo er hingehört. Was hast Du getan? Falsch bewegt? Zu früh bewegt? Bei der OP gezuckt? Diese zeitraubende Auseinandersetzung bleibt Dir erspart. Ich lasse auch die Frist verstreichen und lege nicht Widerspruch gegen einen Rentenbescheid ein, der mir bescheinigt, dass ich aufgrund einer in der DDR abgeschlossenen Zusatzversicherung 1 Cent weniger monatlich Rente bekomme. Immerhin hat mich die Antragstellung jahrelang beschäftigt. Näheres schreibe ich dann auch mal auf. 😊.
AntwortenLöschenDas Gefühl von Verbitterung wird nicht ausgelöst durch die Information, dass es kein Schmerzensgeld gibt, sondern dadurch, dass Geld im Zusammenhang mit einer schmerzhaften und beeinträchtigenden Verletzung überhaupt erwähnt wird. Du gehst zum Arzt, weil es Dir ohnehin nicht gut geht, sonst gingst Du wohl kaum, und wirst verhöhnt.
AntwortenLöschen